"Ich weiß, dass ich mehr kann und will"

Das Projekt „Sozialwirtschaft integriert – Vielfalt erzieht“ unterstützt Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund auf dem Weg zu einer Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher oder im Bereich Heilerziehungspflege. Der Fachdienst Kommunaler Arbeitsmarkt des Landkreises Fulda fördert dabei mit zahlreichen Unterstützungsmöglichkeiten wie Ausbildungscoaching, Organisation von Nachhilfeunterricht und Sprachförderung. Galina Kinova (50) war eine der Projekt-Teilnehmerinnen.

Der Fachkräftemangel im Bereich Sozialwesen ist auch in der Region Fulda spürbar. Der Fachdienst Kommunaler Arbeitsmarkt beim Landkreis Fulda hat deshalb bereits im Jahr 2019 mit dem Projekt „Sozialwirtschaft integriert – Vielfalt erzieht“ ein mehrstufiges Förderprojekt initiiert. Ziel des Projekts war es, Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Weg zur und während der Ausbildung zum Erzieher, zur Erzieherin oder im Bereich Heilerziehungspflege zu unterstützen und zu fördern. Schon seit einigen Jahren ist anhand verschiedener Arbeitsmarktprognosen abzusehen, dass das regionale Fachkräftepotential nicht ausreicht, um alle offenen Stellen im Sozialwesen zu besetzen. Genau deshalb setzte das Projekt bei den Personen an, die aus anderen Ländern in die Region Fulda gekommen sind.

Galina Kinova kam 2015 mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern aus Bulgarien nach Deutschland. Da sie in Bulgarien als Lehrerin für Russisch arbeitete, war es in Deutschland schwer eine Arbeit zu finden. Ihr Diplom wurde zwar anerkannt, aber da sie nur ein Fach unterrichten konnte, war eine Arbeit als Lehrerein in Deutschland nicht möglich. Deshalb arbeitete sie anfangs als Reinigungskraft. „Ich wusste aber immer, dass ich mehr kann und mehr will“, erklärt die heute 50-Jährige. Aus diesem Grund suchte sie sich Unterstützung. Über die AWO erfuhr sie von dem Projekt beim Landkreis Fulda.

Schnell war klar, dass sie sich auch vorstellen könnte, als Erzieherin zu arbeiten. „Die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung im Sozialwesen sind hoch“, erklärt Carolin Grysho, die als Koordinatorin für das Projekt zuständig ist. Für die Ausbildung zum Erzieher oder zur Erzieherin beispielsweise, muss neben der entsprechenden schulischen Voraussetzung Vorerfahrung im pädagogischen Bereich nachgewiesen werden. Bewerberinnen und Bewerber mit ausländischem Abschluss müssen zusätzlich dazu noch das C1-Sprachnivau in Deutsch erfüllen. Unter Umständen kann der Weg bis zur abgeschlossenen Ausbildung deshalb lang sein. Carolin Grysho unterstützte Galina Kinova bei der Kontaktaufnahme mit der Schule, beim Ausfüllen der Anträge, beim Verschicken der Unterlagen und bei der Suche nach einem Praktikumsplatz.

„Ich hatte noch nicht mal das Sprach-Niveau B2. Der Fokus lag erst einmal darauf, noch besser Deutsch zu lernen“, erklärt die 50-Jährige. Sie belegte mehrere Deutschkurse und erlangte schließlich das Sprach-Niveau C1. Die ersten Prüfungen im Rahmen der schulischen Ausbildung bestand sie alle auf Anhieb. „Meine Kinder haben mir viel geholfen“, blickt Kinova zurück. „Sie haben mich sprachlich immer wieder korrigiert und meine Präsentationen für die Schule korrekturgelesen. Das war eine große Hilfe.“

Aber auch von Carolin Grysho erhielt Kinova Unterstützung: Ob Sprachkurse, Nachhilfe, Unterstützung bei Anträgen, finanzielle Unterstützung bei den Fahrtkosten, fachliche Hilfe oder Praktikumssuche – „Frau Grysho war jederzeit für mich ansprechbar. Das war einfach toll“, erklärt Kinova.

Nach der schulischen Ausbildung absolvierte Kinova ihr Anerkennungsjahr in der Wilden 15 in Fulda. Mit Abschluss ihrer Ausbildung im Juli 2023 arbeitet sie nun Vollzeit in der Einrichtung. „Wir sind ein tolles Team in der Wilden 15. Ich arbeite super gerne mit den Kindern zusammen. Es macht Spaß, mit den Kindern zu basteln, zu spielen, spazieren zu gehen, zu singen oder zu tanzen. Jeden Tag passiert einfach etwas Schönes oder Lustiges“, berichtet Galina Kinova. Für die Hilfe durch das Projekt ist sie überaus dankbar: „Die soziale Unterstützung ist total wertvoll. Mit der Hilfe und der Unterstützung können Hürden und Probleme aus dem Weg geschafft werden. Das Projekt ist einfach toll“, sagt Kinova abschließend.

 

Das Projekt

Im Rahmen des Projektes wurden neben Galina Kinova viele weitere Personen unterstützt. Mehr als 100 Menschen haben sich beim Landkreis Fulda über verschiedenste Ausbildungsmöglichkeiten im Sozialwesen informiert, 40 Personen haben einen Vorbereitungslehrgang durchlaufen. 12 Personen wurden während der Ausbildung zum Sozialassistenten und zur Sozialassistentin und 33 während der Ausbildung zum Erzieher und zur Erzieherin, bzw. im Bereich Heilerziehungspflege begleitet.

 „Das Projekt SWI war erfolgreich. Wir konnten viele Menschen auf dem Weg zu ihrem Ausbildungswunsch im Sozialwesen unterstützen. Damit ist der Fachkräftemangel im Bereich Sozialwesen jedoch noch lange nicht behoben“, erklärt Florian Hütsch, Leiter des Sachgebiets Arbeitskräftesicherung beim Landkreis Fulda. Der Landkreis möchte sich deshalb weiter gemeinsam mit den regionalen Akteuren im Bereich Sozialwesen dem Thema annehmen und ist seit wenigen Monaten im Aufbau eines „Netzwerk Sozialwesen“. Durch das Netzwerk soll eine Austauschplattform für Träger und weitere regionale Akteure im Bereich Sozialwesen geschaffen werden. Gemeinsam mit ihnen möchte der Landkreis Strategien zur Bewältigung des großen Fachkräftemangels entwickeln und umsetzen. Auch für Ausbildungsinteressierte, Auszubildende und Studierende im Bereich Sozialwesen wird es weiterhin Unterstützungsangebote geben. Das Projekt „Sozialwirtschaft integriert – Vielfalt erzieht“ endet Ende 2023. Aber es wird ein Folgeprojekt geben, das voraussichtlich Anfang 2024 startet.

 

Text: Lisa Laibach

Foto: Galina Kinova