Jan-Martin Schwarz und Mario Wied erkämpften sich den Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit  

10 und 13 Jahre ohne Arbeit, das ist für zwei junge Männer eine sehr lange Zeit – und schwer nachvollziehbar, zumal jeder eine abgeschlossene Ausbildung im Handwerk vorweisen kann.
Jeder hatte Gründe dafür, aber untätig blieb keiner.

Jan-Martin Schwarz wollte damals nicht mehr als Elektroniker in der Automatisierungstechnik arbeiten, fand jedoch keinen passenden Quereinstieg in eine andere Branche und kümmerte sich in der Folge hauptsächlich um die fünfköpfige Familie. „Ich konnte auf dem Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen. Klar, ich habe immer was gemacht, im Lebensmittelhandel Ware verräumt oder bei Grümel in der PC-Werkstatt gearbeitet, aber was Festes war nie drin“, resümiert der 37-Jährige und beschreibt ungeschönt seine Gefühle: „Es ist peinlich und deprimierend, und man hat bei Begegnungen in der Kita oder Schule nicht wirklich was zu erzählen.“

Ähnlich berichtet es auch Mario Wied. Er fand nach seiner überbetrieblichen Ausbildung zur Fachkraft für Metallbearbeitung, die er im BBZ absolvierte, keine feste Stelle. Auch der 34-Jährige jobbte regelmäßig zumeist bei Zeitarbeitsfirmen, was ihm vor allem später als alleinerziehendem Vater zumindest organisatorisch entgegenkam. „Aber ich wollte immer einen festen Arbeitsplatz, und ich hab‘ gedacht: Mensch, es muss doch irgendwann auch mal was Passendes für mich dabei sein“, sagt er und drückt aus, wie er es empfunden hat: „Ich bin ehrgeizig und eigentlich auch optimistisch. Aber es ist schon belastend und kräftezehrend, immer wieder zu hoffen, dass einem mal einer eine Chance gibt.“

Doch die beiden Männer blieben ebenso dran, wie Ute Böhm vom Arbeitgeberservice des Fuldaer Kreisjobcenters. Sie sah in Jan-Martin Schwarz und Mario Wied Potenzial und den Willen, aus der Langzeitarbeitslosigkeit in eine feste Arbeitsstelle zu wechseln und akquirierte einen passenden Arbeitgeber. „Das ist ganz wichtig für den Erfolg. Denn jeder hat andere Voraussetzungen und andere Herausforderungen, sei es familiär, persönlich oder auch in der Mobilität. Das muss man berücksichtigen, um nicht vorschnell zu scheitern“, sagt Ute Böhm. 
Ellen Brauner und Heike Tobler begleiten Jan-Martin Schwarz und Mario Wied schon einige Jahre eng, vertrauensvoll – und tatkräftig. „Wir wissen, dass man manchmal einen langen Atem braucht. Aber Beispiele wie diese bestätigen immer wieder, dass es sich auf jeden Fall lohnt“, sagen die beiden Coaches. 

Die große Chance kam mit Benjamin Dürr, der in Fulda die Firma Dürr-Raumdesign führt. Ende Januar 2022 stellte sich Jan-Martin Schwarz dort vor und arbeitete Probe. Kaum drei Wochen später hatte er einen unbefristeten Arbeitsvertrag in den Händen. Seit fast zwei Jahren ist er dabei. Am 1. Mai 2023 stieß Mario Wied zu Dürr-Raumdesign dazu. Beide fühlen sich wohl und sind mit Elan und Freude dabei.
Und Chef Benjamin Dürr ist begeistert: „Die beiden sind ausgesprochen gute Handwerker. Sie haben mittlerweile schon einige schwierige Baustellen erledigt – und die Kunden sind alle zufrieden.“  

Der 43-Jährige ist gelernter Schlosser und Maler sowie familiär durch das frühere und alteingesessene Fuldaer Unternehmen Farben Felber geprägt. Vor fünf Jahren machte er sich mit der Rundum-Renovierung von Innenräumen selbstständig und hat sehr gut zu tun: „Wir besetzen eine Nische, sind flexibel und bieten alles aus einer Hand.“  Er lobt die neuen Mitarbeiter für ihr Können und ihre Zuverlässigkeit. Aber er gibt zu, dass es auch für ihn ein Lernprozess gewesen sei: „Ich habe über Langzeitarbeitslose vorher anders gedacht. Ich war der Auffassung, dass diese Menschen im Grunde keinen Bock mehr haben. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Heute weiß ich: So ist es nicht. Es ist einfach so, dass sich manchmal Dinge ereignen – Umzug, Kinder, Krankheit, Trennung –, die dafür sorgen, dass man im System nicht mehr hinterherkommt. Das kann eigentlich jedem widerfahren.“  

Benjamin Dürr gab und gibt den beiden Familienvätern eine entscheidende Chance. Und dabei wird er seitens des Staates unterstützt: Zum einen erhalten Arbeitgeber im Rahmen des Förderprogramms „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ über fünf Beschäftigungsjahre hinweg Lohnzuschüsse von anfangs 100 Prozent. Zum anderen bleiben die Coaches des Kreisjobcenters über die gesamte Förderungszeit als Ansprechpartnerinnen an der Seite. „Gerade direkt nach der Arbeitsaufnahme gibt es für viele noch eine Reihe von Themen, bei denen wir helfen können“, sagt Ellen Brauner. „Da geht es um das Ausfüllen von Anträgen, von Problemen, die vielleicht erst später aufploppen. Wir sind Bindeglied zu den Arbeitgebern, und wir sind da für Situationen des Zweifelns und kleinerer Krisen“, ergänzen Heike Tobler und Ute Böhm. Das geschieht ganz flexibel und individuell, mal mit Termin oder ohne, direkt am Arbeitsplatz, im Kreisjobcenter oder auch mal im Café. 

Das entspannt den Chef und auch die Mitarbeiter. „Wir sind mittlerweile freundschaftlich verbunden. Man muss den Menschen Zeit geben. Bei uns funktioniert das gut“, sagt Benjamin Dürr. Und Jan-Martin Schwarz und Mario Wied sind dankbar für den sozialen, mitfühlenden Chef und seine Frau Peggy: „Wenn bei uns zum Beispiel was mit den Kindern ist, dann ist das kein Problem.“ Und bis zur bestandenen Führerscheinprüfung holt er den Kollegen Wied hin und wieder von zu Hause ab. Jan-Martin Schwarz hat vor Kurzem seinen Führerschein bestanden und fährt nun eigenständig zu den Einsatzstellen.  

Aber die beiden Männer sind nicht nur zufrieden, weil sie jetzt ihr eigenes Geld verdienen und für ihr Können Anerkennung finden. „Es ist auch toll für unsere Familien, insbesondere für unsere Kinder, die sehr stolz auf uns sind. Wir haben Kollegen gefunden, die auch zu Freunden geworden sind.“, freuen sich Jan-Martin Schwarz und Mario Wied. 

 

Hintergrund 
Die Betreuung und Finanzierung der beiden Arbeitsplätze basiert auf dem §16i des Sozialgesetzbuches (SGB) II. Unter bestimmten Voraussetzungen wird die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung langzeitarbeitsloser Personen in den ersten beiden Jahren mit 100 Prozent der Lohnkosten für den Arbeitgeber bezuschusst. Im fünften Jahr sind es noch 70 Prozent. Außerdem werden die Beschäftigten über fünf Jahre hinweg von Coaches des Kreisjobcenters begleitet. Heike Tobler und Ellen Brauner tun dies im Fall von Jan-Martin Schwarz und Mario Wied. Insgesamt betreuen sie im Landkreis Fulda aktuell rund 80 Personen.  „Manche treffen wir mehrfach wöchentlich, andere einmal im Vierteljahr und wieder andere klopfen nur mal im Vorbeigehen ans Bürofenster. Das kommt immer auf den individuellen Bedarf an“, sagen die beiden Coaches. 
Ihre Kollegin Ute Böhm ist zuständig für die Akquise von Unternehmen: „Wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut zusammenpassen, mögliche Stolpersteine angesprochen werden und die Erwartungen übereinstimmen.“ 
Markus Vogt, Fachdienstleiter Kommunaler Arbeitsmarkt, ist von dem Förderinstrument überzeugt: „Menschen, die nach langer Arbeitslosigkeit wieder eine feste Beschäftigung aufnehmen, bringen häufig noch Schwierigkeiten mit. Durch das Coaching können diese bereits früh identifiziert und angegangen werden. Das ist ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor. Wir stehen mit diesem Programm im hessenweiten Vergleich sehr gut da. Das liegt vor allem an unseren sehr engagierten Mitarbeiterinnen, die auch einen Blick darauf haben, wie es nach Abschluss der Förderung weitergeht.“

 

Kontakt
Ansprechpartnerin beim Kreisjobcenter für interessierte Arbeitgeber ist Ute Böhm unter Telefon (0661) 6006-8056 oder per E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Das Team des KJC (von links): Die Coaches Ellen Brauner und Heike Tobler, Ute Böhm vom Arbeitgeberservice und Fachdienstleiter Markus Vogt.

Fotos: Sebastian Mannert

Text: Leoni Rehnert